Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation bei EuroCloud Deutschland
Die Politik fordert es, Unternehmen wollen es und der Klimawandel erfordert es – digitale Technologien sind der Schlüssel, um nachhaltiger zu wirtschaften, zu leben und zu arbeiten. Eine neue Studie vom Cloud Industry Forum zeigt jedoch: Kostenfragen lassen grünere Cloud-Landschaften noch zu oft scheitern. Warum sich digitaler und nachhaltiger Wandel bedingen.
Das Digitale mit dem Grünen verbinden – Corona hat die Welt auch hier umdenken lassen. Rund 1,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid kann Deutschland jährlich laut Greenpeace einsparen, wenn jede:r wöchentlich einen Tag aus dem Home-Office arbeitet. Verlegen mehr Menschen das Büro in die eigenen vier Wände, fahren weniger Autos auf den Straßen, was Abgase reduziert, Energie und Ressourcen spart. Doch das ist erst der Anfang: Professionelle Cloud-Services statt firmeneigener Server sind ein weiterer Baustein zur grünen Lösung. Wer Dokumente, Anwendungen und Programme auf Plattformen bereithält, reduziert den eigenen ökologischen Fußabdruck weiter. Bis zu 80 Prozent an Strom sparen Firmen, wenn sie, laut eco – Verband der Internetwirtschaft, IT-Infrastruktur, Ressourcen und Services nicht selbst betreiben, sondern von Providern betreiben lassen. Schließlich sind die CO2-Emissionen europäischer Rechenzentren seit 2015 rückläufig, was technologische Fortschritte und intelligente Konzepte möglich machen. Beispiel Abwärmenutzung: Statt heiße Abluft, die beim Kühlen anfällt, ungenutzt abzulassen, sind Schwimmbäder, Wohnungen und Büros damit beheizbar.
Kostenfragen bei Cloud-Entscheidung ausschlaggebend
Cloud-Technologien als Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit – laut aktueller Studie vom Cloud Industry Forum (CIF) besteht daran auch für 84 Prozent der IT-Verantwortlichen kein Zweifel. Geht es jedoch darum, sich für ein Angebot zu entscheiden, sind allein Kostenfragen für jede:n Zweite:n ausschlaggebend. “Environmental, Social and Governance (ESG) and sustainability still aren’t prioritised over cost (53%), nor are they considered more important than factors like trust (50%), ability to scale (34%) or even the speed of response of a chosen cloud managed service provider (26%)”, hält der Bericht zur Befragung unter rund 250 großen und mittleren Unternehmen in Großbritannien fest: “At just 25%, sustainability credentials actually sit seventh on the list of priorities, which suggests that a passion for ESG doesn’t always translate into practice.”
Warum digitale Nachhaltigkeit für viele Unternehmen ein Lippenbekenntnis bleibt, lässt die CIF-Studie offen. Wer Ursula von der Leyen fragt, erhält dagegen eine klare Antwort: „Geht es darum, Kohlendioxid zu reduzieren, sind wir bereits Vorreiter“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin in ihrer Keynote auf dem Digital-Gipfel 2020. „Europa muss aber auch bei der Digitalisierung zum Vorreiter werden.“ Warum das notwendig ist: Weil digitale Technologien nach Meinung der Europäischen Union das Leben nicht nur sicherer, gesünder, besser, angenehmer und komfortabler machen – sondern eben immer nachhaltiger.
Cloud-Technologie macht IT nachhaltiger
Wie sich digitale Technologien und Nachhaltigkeit bedingen, zeigt eine Analyse von Accenture: Migrieren Unternehmen weltweit in die Public Cloud, würden 5,9 Prozent aller Emissionen entfallen, die sonst durch den lokalen IT-Betrieb entstehen. Ein Schritt, der rund 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen kann, was der Menge entspricht, die 22 Millionen Autos im gleichen Zeitraum ausstoßen. Wo die Potenziale für die Umwelt liegen: Cloud-Rechenzentren kühlen effizienter, setzen Hardware effektiver ein und lasten Ressourcen optimaler aus als jedes Unternehmen das im eigenen Serverraum zu wettbewerbsfähigen Konditionen selbst erzielen könnte. Vorteile geteilter Infrastrukturen, die sich bis hierhin kaum von dem unterscheiden, was der öffentliche Personennahverkehr leistet. Aber Vorteile, bei denen es in puncto Cloud nicht bleibt: Denn wer Software und Services mit den Möglichkeiten der Public Cloud in der Public Cloud realisiert, schöpft Chancen Cloud-native aus. Auf diese Weise lassen sich Kosten intelligent optimieren und der ökologische IT-Fußabdruck um bis zu 20 Prozent weiter reduzieren, hält Accenture fest.
Digitalisierung als Schlüssel für Nachhaltigkeit
Digitaler und nachhaltiger Wandel gehen auch für Karl-Heinz Land Hand in Hand. So liefert uns die Digitalisierung nach Meinung des Digitalvisionärs alle Werkzeuge, um nachhaltig in einer besseren Welt zu leben. Wie das aussehen kann, zeigt die Pandemie: „Dauerte es sonst Jahre, um Impfstoffe zu entwickeln, schaffen wir es heute binnen weniger Monate“, sagt Land im Interview mit eurocloud.de: „Digitale Innovation, menschliches Know-how und künstliche Intelligenz sind nicht nur in der Biochemie der Schlüssel zum Erfolg, sondern in allen Lebens- und Arbeitsbereichen.“
Cloud realisiert Kreislaufwirtschaft
Wie das anderswo aussehen kann, zeigt die Automobilbranche: Um ökologischer zu fertigen, möchten die Firmen Maschinen- und Bewegungsdaten übergreifend teilen. Egal, ob Zulieferer, Spediteure oder Produzenten – Produktions- und Logistikprozesse sollen sich im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk über die Cloud nachhaltig optimieren lassen. Ein Ziel, für das die Branche eine eigene Initiative ins Leben gerufen hat: Catena-X versteht sich als skalierbares und erweiterbares Ökosystem. Integriert in die europäische Infrastrukturinitiative Gaia-X soll das Daten endlich sicher, souverän, transparent und vertrauensvoll fließen lassen, um den Lebenszyklus des PKWs nachhaltig zu optimieren. „Catena-X macht die Kreislaufwirtschaft real“, sagte Oliver Ganser, CEO der Brancheninitiative auf dem Gaia-X Summit 2021.
Cloud bremst Klimawandel
Nicht anders der Smart Maritime Sensor Data Space X, kurz Marispace-X. Das Projekt soll ein intelligenter Big Data Hub für die Weltmeere werden. Ein Ziel: Den Klimawandel über Seegras zu bremsen. Denn die Wasserpflanze, die große Mengen CO2 binden kann, gilt als natürliches Mittel gegen die Erderwärmung. Um sie besser zu erforschen und gezielt zu kultivieren, verschneidet Marispace-X Informationen aus dem Weltall mit Daten aus dem Meer. „So bestimmen wir, wo die Pflanze wächst und wieviel Kohlendioxid sie gespeichert hat“, sagt Jann Wendt, CEO von north.io und Koordinator des Förderprojekts auf eurocloud.de. Die technologische Basis, um Informationen vertrauensvoll auszutauschen, schafft die verteilte und dezentrale Cloud-Architektur von Gaia-X.
Grüne Cloud-Effekte wachsen von Natur aus
Dass wir nachhaltig in einer immer digitaleren Welt leben und arbeiten werden, steht für die Expert:innen des CIF außer Zweifel. So könnten grüne Skaleneffekte gewissermaßen von Natur aus wachsen, wenn Unternehmen weniger auf eigene Server und mehr auf Clouds setzen. Egal, ob vorrangig Kosten- oder Nachhaltigkeitsfragen dafür ausschlaggebend sein werden: Immerhin neun von zehn Befragten möchten die Technologie, laut CIF-Studie, binnen 12 Monaten stärker nutzen – Tendenz steigend.