eco feiert 2020 sein 25-jähriges Bestehen unter dem Motto „Netz mit Verantwortung“ – zeitgleich wird zunehmend der Begriff Digitale Souveränität in Medien, Politik und Teilen der Internetwirtschaft diskutiert. Doch was versteht man eigentlich unter Digitaler Souveränität und wie lässt sich das mit dem Jubiläumsmotto vereinbaren? Hierüber sprechen wir mit Alexander Rabe, Geschäftsführer eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.
Digitale Souveränität klingt zunächst einmal nach einem eher abstrakten Begriff. Was verstehen Sie und der Verband der Internetwirtschaft darunter?
Digitale Souveränität bezeichnet in erster Linie die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln und Entscheiden im digitalen Raum.
Um diese Fähigkeit herzustellen gilt es, die jeweilige Dimension, die jeweilige Ausprägung und den jeweiligen Kontext näher zu beleuchten. Dies haben wir auch im Rahmen des Digitalgipfels der Bundesregierung getan: In der Fokusgruppe Digitale Souveränität hat eco an einem sogenannten Schichtenmodell mitgewirkt und dieses jeweils für konkrete Anwendungsszenarien bzw. Technologien wie etwa Plattformökonomie oder Künstliche Intelligenz übersetzt.
Was bedeutet nach dieser Definition Digitale Souveränität dann konkret?
Im Bereich der Kompetenzbildung gilt es beispielsweise jeweils zu evaluieren, ob und in welchem Umfang Kompetenzen für das Verständnis eines technologischen Systems, dessen Prozesse und Konsequenzen seines Einsatzes seitens der Anwender*innen und/oder Nutzer*innen vorhanden und erwünscht sind, also ob es zumindest ein grundlegendes Verständnis gibt.
Desweiteren gilt es zu prüfen, ob bereits ergänzende Kompetenzen vorhanden sind, diese Systeme vielleicht sogar selbst in begrenztem Umfang anzupassen.
Oder sind sogar Kompetenzen dahingehend vorhanden, ein System komplett zu erstellen und zu verändern. Im letztgenannten Fall ist wahrscheinlich das Maximum digitaler Souveränität im Bereich der Kompetenzbildung gewährleistet, dennoch ist ein solcher Zustand wiederum auch nicht flächendeckend notwendig, denn eine Gesellschaft braucht selbstverständlich neben Softwareentwickler*innen und Informatiker*innen auch immer die Fachexpertise aus anderen Disziplinen.
Eine weitere Dimension digitaler Souveränität ist zum Beispiel die jeweilige Jurisdiktion, die für die Anwendung digitaler Technologien oder Services zum Tragen kommt, also konkret aus europäischer Perspektive betrachtet: Gilt europäisches Recht, gibt es verlässliche Abkommen und Verträge mit Anbietern die europäische Standards gewährleisten oder untersteht der Anbieter letztlich nicht EU-Recht.
Weitere Kategorien zur Betrachtung Digitaler Souveränität in ihrer jeweiligen Ausprägung sind unter anderem Daten, Schnittstellen, Quellcodes und letztlich auch Hardware.
Warum wird der Begriff Digitale Souveränität oftmals emotional und kontrovers diskutiert?
Digitale Souveränität wird bei einigen Stakeholdern scheinbar mit Abschottung und Protektionismus gleichgesetzt. Wie die obige Definition und die genannten Beispiele gezeigt haben, ist dies allerdings weder intendiert, geschweige denn in einer global-digital vernetzten Welt überhaupt möglich. Die DNA des Internet ist international.
Dennoch müssen staatliche Akteure, Unternehmen, NGOs und NPOs sowie Individuen in diesem Kontext in die Lage versetzt werden, Orientierung über Anbieter, Technologien und sich hieraus möglicherweise resultierender Konsequenzen zu erhalten. Denn nur so ist souveränes Handeln und Entscheiden in einer digital vernetzten Welt möglich.
Gibt es aktuelle Beispiele, die im Bereich Digitaler Souveränität realisierbar erscheinen?
GAIA-X ist aktuell so ein Beispiel, wie man auf ganz elementarerer Ebene, nämlich der Ebene digitaler Infrastrukturen und der Datenverarbeitung Orientierung für Anwender schaffen und gleichzeitig auch ein Öko-System für neue Innovationen ermöglichen kann. Die Arbeit an diesem Projekt ist international ausgerichtet und inkludiert auch Player des globalen Marktes.
Die Leitmotive von GAIA-X sind aufgrund der Genese des Projektes europäisch geprägt: Als Ausgangspunkt sind europäische Datenschutzanforderungen, leistungsfähige digitale Infrastrukturen sowie eine verlässliche IT-Sicherheit ein beherrschendes Motiv. Aber ein solches Ökosystem schließt eben auch niemanden aus, der sich an diesen Grundsätzen orientiert und unter den vorgegebenen Bedingungen einbringen möchte.
Digitale Souveränität bietet auch hier zunächst einmal die Möglichkeit, sich Orientierung über die jeweiligen Dimensionen digitaler Technologien und Services zu verschaffen, um anschließend souveräne Entscheidungen treffen zu können. Unabhängig von Ländergrenzen oder dem Kontinent können diese dann natürlich für oder gegen bestimmte Anbieter ausfallen. Hier sollten Anbieter Alleinstellungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz herausarbeiten und in den Vordergrund zu stellen.
Dieses Vorgehen ermöglicht also branchen- und sektorübergreifend neue Lösungen, Produkte und Dienstleistungen. Digitale Souveränität hat damit nicht nur einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft, sondern auch auf Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Dadurch können wir alle profitieren.
Und in welchem Bezug steht Digitale Souveränität mit dem eco Jubiläumsmotto „Netz mit Verantwortung“?
Wir stehen mit dem eco seit 25 Jahren für eine verantwortungsvolle Digitalisierung, die zum Wohle von Wirtschaft und Gesellschaft gestaltet wird. Wir setzen uns für ein leistungsfähiges, sicheres und vertrauensvolles Internet ein. Wissenstransfer und digitale Bildung scheinen uns ein elementarer Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg einer verantwortungsvollen Digitalisierung, nicht zuletzt unsere eco Akademie und unser umfangreiches Workshop- und Webinar-Angebot tragen hier ihren Beitrag bei.
Schon früh haben wir begonnen – beispielsweise durch Selbstregulierung – die unserer Ansicht nach richtigen Rahmenbedingungen zu definieren und voranzutreiben. Wir haben uns stets für eine internationale und demokratisch-orientierte Verwaltung des Internet eingesetzt und wir stehen für die Wahrung freiheitlich-demokratischer Bürgerrechte im digitalen Zeitalter.
Natürlich treten wir grundsätzlich für innovationsfreundliche Regulierung ein und begleiten daher Regulierungsprozesse sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene intensiv.
Diese Kern-Elemente der Arbeit des eco sind in den eingangs geschilderten Kategorien digitaler Souveränität bereits angelegt und bedeuten für uns seit 25 Jahren, ein Netz mit Verantwortung zu gestalten.