Umgewöhnen, umdenken und anpacken – GAIA-X ist nicht nur Europas Unabhängigkeitserklärung an die Cloud, sondern die souveräne Antwort, damit die Industrie stark und der hiesige Wohlstand sicher bleibt. Auf Einladung von Wobcom und eco trafen sich am 6. Oktober rund 70 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit zum Austausch über Digitale Souveränität, Innovation und GAIA-X.
Videokonferenz statt Vor-Ort-Termin, Online-Unterricht statt Schulbesuch, Home-Office statt Büroarbeit: „In Corona-Zeiten muss man sich erstmal daran gewöhnen, wie digital und schnell das so laufen kann“, sagte Stefan Mühlen in seinem Grußwort im Congresspark Wolfsburg. Und nicht nur nach Meinung des Staatssekretärs im niedersächsischen Wirtschaftsministerium gilt es, das Tempo jetzt auch bei GAIA-X beizubehalten. Denn: „Für alle PKW-Daten möchten wir lieber GAIA-X nutzen, anstatt eine eigene Servergesellschaft zu gründen“, sagte Arndt G. Kirchhoff, Vizepräsident des Verbands der Automobilindustrie tagsdrauf im eco Web Talk. Auf Touren bringen soll das Projekt jetzt die GAIA-X AISBL (Association Internationale Sans But Lucratif nach belgischem Recht): Am 15. September unterzeichneten die 22 Gründungsmitglieder offiziell die Urkunden für die gemeinnützige Vereinigung.
NextGenerationEU: GAIA-X kommt voran
Was die europäische Cloud außer Geschwindigkeit noch braucht, das hatte die Veranstaltung in der Automobilstadt auf der Agenda: „Netzwerke und Partner“, sagte Dalibor Dreznjak, CSO und CCO bei den Stadtwerken Wolfsburg. „Öffentlichkeit und Marketing“, sagte Harald Summa, CEO bei der DE-CIX Group. Denn im Bewusstsein Europas kommt GAIA-X nur langsam voran. Aber es kommt voran, wie die Rede zur Lage der Union von Ursula von der Leyen zeigt. „Deshalb werden wir im Rahmen von NextGenerationEU eine europäische Cloud aufbauen – auf der Grundlage von GAIA-X“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin am 16. September in Brüssel. 20 Prozent des Wiederaufbaufonds NextGenerationEU sollen in die Digitalisierung fließen.
GAIA-X schafft Nährboden für digitalen Binnenmarkt
Geld ist auch bei GAIA-X nicht alles, Use Cases wie diese sind dagegen bares Gold wert: „Gemeinsam mit Volkswagen haben wir Wolfsburg zu einer Modellstadt für Mobilität und Digitalisierung entwickelt“, sagte Dennis Weilmann, CDO bei der Stadt Wolfsburg. So sammelt die Stadt Daten, um den Verkehr intelligent zu steuern, Umweltbelastungen zu minimieren und die Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. „Wir führen alle Informationen auf einer sicheren Plattform zusammen, machen sie darüber kontrolliert verfügbar und schaffen den Nährboden für digitale Innovationen“, sagte Weilmann.
Daten sicher sammeln, souverän austauschen, um gemeinsam von digitalen Produkten und Services zu profitieren – was in Wolfsburg auf kommunaler Ebene noch ohne GAIA-X funktioniert, soll später mit GAIA-X im industriellen und europäischen Maßstab selbstverständlich werden. „Bis dato teilen Unternehmen nur ungern Daten miteinander“, sagte Ernst Stöckl-Pukall, Referatsleiter für Digitalisierung und Industrie 4.0 im Bundeswirtschaftsministerium. GAIA-X ist die Lösung, um Schutzinteressen zu wahren, Chancen der Datenökonomie voll auszuschöpfen und den digitalen Binnenmarkt zu realisieren. „Eine starke Industrie braucht GAIA-X als Grundstock für digitales Wachstum und weiteren Wohlstand“, sagte Stöckl-Pukall.
Bestehendes neu kombinieren, Services und User direkt zusammenbringen
Wie die Architektur von GAIA-X dafür sorgt, dass der wächst, der mit anderen teilt: „Wir kombinieren bestehende europäische Cloud-Angebote neu miteinander“, sagte Andreas Weiss, Geschäftsbereichsleiter Digitale Geschäftsmodelle beim eco Verband. „So entsteht ein offenes und interoperables System, das auf einheitlichen Standards und europäischen Werten aufbaut.“ Welche Vorteile das bietet? „GAIA-X ist eine flexible Plattform, die über ihre Architektur alles abbilden kann – und das ohne einen systemtechnischen Bruch“, sagte Prof. Dr. Frank Köster, Leiter Geschäftsfeldentwicklung beim DLR Institut für Verkehrssystemtechnik. „Jedes GAIA-X-Rechenzentrum soll vollautomatisiert erreichbar sein – und das nicht über das Internet, sondern über Punkt-zu-Punkt-Verbindungen“, sagte Summa. „So finden Services und User direkt zusammen – und nicht auf Umwegen.“
GAIA-X: Plan B für Digitale Souveränität
„GAIA-X realisiert wettbewerbsfähige Lösungen in Europa für Europa“, sagte Lars Nagel, CEO bei der International Data Spaces Association. „Wir müssen GAIA-X groß denken und beweisen, dass die Idee weltweit funktioniert“, sagte Stöckl-Pukall. Denn: „GAIA-X bietet Anwendern nicht nur die Wahlfreiheit, zu entscheiden, wo sie Daten speichern, sondern auch zu bestimmen, wie sie die Daten speichern möchten.“ Das macht GAIA-X zum Plan B für Digitale Souveränität – und weckt Erinnerungen: „GAIA-X ist für mich wie ein Déjà-vu an die Zeit, in der das Internet von der Idee Einzelner zu einer Vison Vieler wurde“, sagte Summa. „Der Rest ist Geschichte.“
Zu den Event-Fotos (Fotograf Matthias Leitzke).
Eine inhaltlich vertiefende Auseinandersetzung mit der Podiumsdiskussion durch Dr. Sabine Wilfling (Unit Lead Public/Government Scheer GmbH) und Andreas Weiss (Geschäftsbereichsleiter Digitale Geschäftsmodelle beim eco Verband) erfolgt in Kürze auf dem GAIA-X-Blog des BMWi.