Von Nils Klute, Projektmanager Kommunikation EuroCloud Deutschland
Kollaborativ Werte schöpfen und den Wettbewerb voranbringen – die digitale Datenökonomie stellt tradierte Vorstellungen von Geschäftsmodellen und Technologien auf den Kopf. Wieso es dezentrale Ansätze braucht. Und warum der Wohlstand der Zukunft eine Frage des Vertrauens ist. Der GAIA-X Summit von Cloud Expo Europe lieferte die Antworten.
Wie schwierig es sein kann, einmal verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen, zeigt sich aktuell am Beispiel von Astra Zeneca. Der Impfstoff bleibt laut aktueller Umfrage von YouGov in vielen Ländern Europas ein Ladenhüter. Die Folge: Chancen einer schnelleren Immunisierung, von der die gesamte Gesellschaft profitieren könnte, bleiben ungenutzt. Vertrauen gewinnen, halten und entwickeln – das ist nicht nur in der Gesundheitswirtschaft das A und O, sondern in der Datenökonomie, auf die GAIA-X abzielt. „Nur dann, wenn Firmen der verteilten und vernetzten Infrastruktur auch vertrauen, werden Informationen geteilt, neue Geschäftsmodelle ermöglicht und Innovationen geschaffen“, sagte Stéphanie Finck, VP Government Affairs EMEA bei Salesforce. Mit der Paneldiskussion „GAIA-X = Trust?“ fand der GAIA-X Summit am 9. Juni seinen Auftakt.
Vertrauensvoll transparenter
Kollaborativ digitale Werte schöpfen, nicht nur, um den persönlichen Wohlstand des Einzelnen zu sichern, sondern die gesamte Wirtschaft wachsen zu lassen: „GAIA-X kann Europa im internationalen Wettbewerb nach vorn bringen“, sagte Lise Fuhr, Director General bei ETNO. Wie das gelingt? Fuhr: „In einem Ökosystem, das Datenschutz und Datensicherheit auf dem Boden europäischer Standards und Werte vertrauensvoll und transparent gewährleistet.“ Worauf es dabei ankommt? „Wir müssen europäische Ideale und Wertvorstellungen in Software codieren“, sagte Claudia Frese, CEO bei STRATO und CBO bei IONOS. „So entsteht der Nährboden, auf dem die GAIA-X Use Cases florieren und prosperieren.“
Dezentral zukunftssicherer
Wettbewerb vertrauensvoll florieren und prosperieren lassen: „GAIA-X setzt auf Coopetition“, sagte Amanda Brock, CEO bei OpenUK. „Zusammenarbeit ist der Schlüssel für mehr Innovation, mehr Wertschöpfung und mehr Wohlstand.“ Wer nicht länger in Silos denkt und seine digitalen Chancen erkennt, der versteht, warum am Ende jeder Einzelne mehr hat, wenn alle miteinander Daten teilen. Brock: „Wenn wir kollaborieren, werden die Ergebnisse für alle besser.“ Ein Paradigmenwechsel, der tradierte Vorstellungen von Geschäftsmodellen und Technologien auf den Kopf stellt: „Dezentrale Ansätze sind die Zukunft“, sagte Christine Wenzel, Head of Corporate Affairs bei Hewlett Packard Enterprise. „Die Mehrheit aller Daten liegt heute bereits in verteilten Edge-Computing-Systemen.“ Ein Ansatz, den die Architektur von GAIA-X zur Maxime macht. Statt Daten zentralisiert vorzuhalten, gleicht die dezentrale Architektur Anbieter:innen- und Anwender:inneninteressen aus, verhindert Monopole und setzt auf die Kraft der Vielen. „Dezentrale Systeme sind zudem resilienter und zukunftssicherer“, sagte Emma Wehrwein, Projektmanagerin Digitale Geschäftsmodelle bei eco, die das Gespräch moderierte.
Nachvollziehbar effektiver
Vertrauensvoll, kollaborativ, dezentral und sicher – die Finanzbranche bewegt sich bereits in Richtung GAIA-X. Auf dem Summit von Cloud Expo Europe zeichnete sie ihren Weg fort: Bankbetrügern das Handwerk legen, neue digitale Geschäftsservices im Pay-per-use-Modell realisieren und Risiken übergreifend besser abwehren – ein gemeinsamer GAIA-X-Datenpool soll dafür die Basis schaffen. Analysieren sollen ihn erklärbare künstlich intelligente (KI) Algorithmen: XAI macht Ergebnisse transparent und objektiv nachvollziehbar. „Das könnte helfen, die Wirksamkeit finanzpolitischer Entscheidungen zu verbessern“, bloggt Harald A. Summa, Hauptgeschäftsführer bei eco und CEO bei DE-CIX auf harald-a-summa.de. „Auch in den Bereichen Risikomanagement und Sustainable Finance könnte eine Auswertung kompilierter Daten helfen, effizienter und effektiver zu werden.“
Offen intelligenter
Nichts Anderes schwebt der Automobilindustrie vor. Erst auf dem Digital-Gipfel 2020 hatte sie ihren digitalen Schulterschluss verkündet. Seitdem arbeiten Wettbewerber wie BMW, Mercedes Benz und Volkswagen gemeinsam mit SAP, Bosch und vielen weiteren im Catena-X Automotive Network. Der Anspruch: „Offene Ökosysteme und breite Kollaboration, um Mehrwerte für alle zu schaffen“, sagte Heiko Huettel, Head of Automotive, Mobility & Travel EMEA bei Microsoft. Das Ziel: „Autos werden ‚Smartphones on Wheels‘“, sagte Florian Baumann, CTO, Automotive & AI bei Dell Technologies. Eine Software-definierte Fahrzeugplattform könnte das möglich machen, über die sich Daten aus dem gesamten mobilen Ökosystem teilen und neue Services realisieren lassen. Heißt praktisch: Wie beim Betriebssystem eines Smartphones macht die Software die Geräte intelligent. Neue Funktionen lassen sich installieren – wie bei Apps aus dem Store. Updates lassen sich remote einspielen – auch, um die Geräte zu warten und in Schuss zu halten. Die Basis für den vertrauensvollen Informationsfluss – GAIA-X.
Vernetzt resilienter
„Nicht nur einzelne Unternehmen müssen sich digital transformieren“, sagte Andreas Weiss, Bereichsleiter digitale Geschäftsmodelle bei eco: „Sondern Wertschöpfungsnetzwerke übergreifend.“ Beispiel Fertigung: Harmonisiert die Industrie ihre Produktionslandschaften europaweit über GAIA-X, lassen sich Anlagen besser auslasten, Fertigungsschritte auf Warenbewegungen abstimmen, Vorlaufzeiten verkürzen, Lagerbestände reduzieren und die Produktivität steigern. „Je mehr Daten dabei fließen, desto resilienter und robuster wird das System“, sagte Weiss in der abschließenden Panelrunde. Was es da noch für den Erfolg braucht? „Mehr Verständnis“, sagte Weiss: „GAIA-X ist kein Produkt, sondern ein Konzept für digitale Souveränität, das am Ende nicht nur eine Frage des Vertrauens, sondern eine Frage des Preises für Europa ist.“ Der komplette GAIA-X Summit lässt sich aufgezeichnet nach vorheriger Registrierung online abrufen.