„Wir müssen definitiv mutiger in neue Geschäftsmodelle investieren“

Die Digital World & Governance vernetzt am 10. und 11. März als strategische Plattform Anwender, Anbieter und Politik. Im Fachforum wird zum Thema „GAIA-X: der richtige Schritt in Richtung digitale Souveränität?“ Dr. Oliver Mauss, CEO des eco Mitglieds Plusserver, an der Paneldiskussion teilnehmen. Im Interview gibt er vorab einen Ausblick auf seine Position. eco Mitglieder erhalten einen Rabatt auf die Event-Tickets.

Herr Dr. Mauss, wie kann GAIA-X Europa eine digitale Souveränität ermöglichen?

Bei Gaia-X geht es um die Sicherung europäischen Wohlstandes und europäischer Werte wie zum Beispiel Datenschutz, Unabhängigkeit und Monopolvermeidung. Die Ausgangssituation ist diese: Europa muss eine technologische Kehrtwende schaffen, um nicht in die digitale Abhängigkeit einiger weniger Internet-Konzerne zu geraten. Dies kann uns gelingen, wenn wir gemeinsam im Rahmen von Gaia-X eine Technologie-offene Cloud-Plattform nach europäischen Werten und Prinzipien schaffen.

Diese Cloud-Plattform soll es Unternehmen ermöglichen, innerhalb eines sicheren Rechtsrahmens und Wertekanons von der dritten Digitalisierungswelle nämlich künstlicher Intelligenz und Big Data zu profitieren. Denn: Datengetriebene Geschäftsmodelle bestimmen die Zukunft, auch die der Industrie, des Rückgrats der deutschen Wirtschaft. Cloud-Services, wie Big Data oder KI nicht zu nutzen, wäre keine Alternative im internationalen Wettbewerb. Europäische Werte und (Datenschutz)rechte kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen ist jedoch auch keine Option.

Dementsprechend ist Gaia-X der richtige und wichtige Schritt hin zu einer wirklichen europäischen Alternative und digitalen Souveränität. Besonders die deutsche Industrie würde im Rahmen von Industrie 4.0 von Gaia-X profitieren. Sie erhielte eine Infrastruktur für Cloud- und Edge-Computing, offene Standards und Interoperabilität erlauben Anbieterwechsel und Zusammenführung von Daten für Big-Data-Anwendungen.

Wie ist aus Ihrer Sicht der Vorsprung von den USA und China bei der Digitalisierung einzuholen?

Zunächst einmal haben Sie recht: Europa als Ganzes hängt bei der Entwicklung digitaler Dienste den USA und China hinterher – es gibt akuten Aufholbedarf. Um mitzuhalten, müssen wir definitiv mutiger in neue Geschäftsmodelle investieren. Neue Geschäftsmodelle benötigen nicht nur Risikofinanzierung am Anfang, sondern auch eine intensive Wachstumsfinanzierung in späteren Phasen. In Europa gibt es viele Ideen, aber wir benötigen mehr Wachstumskapital, um diese Ideen zum Erfolg zu führen.

Außerdem müssen öffentliche Investitionen in digitale Infrastruktur endlich denselben Stellenwert bekommen, wie Straßenbau und andere Grundversorgung. Längst stellt digitale Infrastruktur einen ebenso entscheidenden – wenn nicht gar wichtigeren – Produktionsfaktor für Unternehmen dar, wie analoge Infrastruktur.

Insbesondere in Deutschland sind digitale Zugänge zu Diensten öffentlicher Einrichtungen ebenfalls noch nicht überall gegeben. Für eine ernstzunehmende Digitalpolitik muss der Staat in eine Vorreiterrolle gehen. Digitale Bürgerdienste müssen zum Standard werden.

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf – um diesen Vorsprung sichtbar zu verkürzen?

Zusätzlich zu dem dringenden Bedarf an Finanzierung und den eben genannten Punkten müssen wir zügig europäische Alternativen zur Cloud-Technologie der großen Cloud-Plattformen schaffen. Nur mit einem Cloud-Stack, der frei ist von Einflüssen dritter und jedem europäischen Unternehmen zur freien Nutzung offensteht, wird es eine unabhängige Cloud-Entwicklung in Europa geben. Die Entwicklung eines solchen souveränen Cloud Stacks ist seit kurzem auch Fokus einer Arbeitsgruppe bei Gaia-X.

Europa und insbesondere Deutschland hat ja in der Historie bewiesen, dass sie durch Schaffung gemeinsamer Standards, wie der DIN, eine Basis schaffen kann für die Entstehung globaler „Hidden Champions“. Diese Standards haben es vielen mittelständischen Unternehmen im Maschinenbau ermöglicht, zusammenzuarbeiten und in ihren jeweiligen Bereichen führend zu werden.

Meines Erachtens ist das digitale Äquivalent dazu Open-Source. Der Souveräne Cloud-Stack von Gaia-X wird Open-Source-basiert sein. Provider und Unternehmen können ihn nutzen, um föderierte Cloud-Dienste anzubieten. Ich bin davon überzeugt, dass ein solcher Ansatz Europas Stärke der Vielfalt entspricht und uns nach vorne bringen wird.

Wir müssen daher vollen Fokus auf die Umsetzung legen.

In welchen Bereichen der Digitalisierung sehen Sie europäische – und spezielle deutsche – Unternehmen als führend an?

Aus den genannten Gründen sehe ich Europa und speziell Deutschland eher in einer Aufhol-Position, was die Digitalisierung angeht. Allerdings sind Europäer und insbesondere Deutsche führend in der Entwicklung von Konzepten zum verantwortungsvollen Umgang mit Daten. Die DSGVO hat diesbezüglich neue Maßstäbe gesetzt und gilt inzwischen weltweit als Richtschnur.

Dies mag auf den ersten Blick eher als Bremse, als ein Treiber empfunden werden. Allerdings ist Datenschutz und -souveränität für mich unablässig für ein nachhaltiges digitales Wachstum, das auch von den Bürgern und Konsumenten akzeptiert wird. Insofern glaube ich, dass Unternehmen in Europa und Deutschland in ihrem digitalen Wachstum am Ende davon profitieren werden, dass wir frühzeitig die Umsetzung solcher Konzepte auf der Agenda hatten.

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