Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation bei EuroCloud Deutschland
Große Einzelanbieter, die Märkte über Abhängigkeiten strategisch dominieren – Mechanismen wie diese bremsen freien Wettbewerb aus. Mit einer neuen Initiative möchte die Eclipse Foundation das Cloud-Ökosystem in Europa stärken. Wie die Open Services Cloud Daten und Dienste portabel machen und das Softwaregeschäft ankurbeln soll.
Egal, ob T-Mobile, Vodafone oder O2 – lange Zeit dominierten wenige Mobilfunkunternehmen Markt und Preise. Wer seinen Anbieter wechseln wollte, lief Gefahr, die eigene Handynummer zu verlieren. Damals ließen es sich die Firmen teuer bezahlen, die sogenannte Portierung technisch durchzuführen. Wer es trotzdem riskierte, auf den kamen horrende Gebühren zu. Gebühren, die teils nur einen Zweck erfüllten: Sie sollten die Kundschaft abschrecken und binden. Im Jahr 2006 strafte der Europäische Gerichtshof das Verfahren ab. Seitdem müssen die Gebühren kostenorientiert sein. Eine Entscheidung, die neue Chancen bot: Zum einen für Verbraucher:innen, die mit ihrer Nummer den Provider wechseln wollen. Zum anderen aber für Anbieter selbst: Der Gerichtshof hebelte die Marktmacht der Monopolisten aus, schaffte Platz für neue Provider, was den Wettbewerb förderte und die Preise purzeln ließ.
Lock-ins hemmen Marktentwicklung
Wenige große Anbieter, die das Geschäft über Abhängigkeiten strategisch dominieren – auch anderswo bremsen Mechanismen wie diese den freien Wettbewerb aus. Beispiel Softwaremarkt: Laut Eclipse Foundation führt gegenwärtig für 9 von 10 Softwareanbieter aus der Europäischen Union (EU) kein Weg an den Public-Cloud-Services weniger US-Anbieter vorbei. Was Risiken birgt, bremst zugleich das Geschäft. Einerseits, weil Unternehmen Provider-Lock-Ins fürchten. Andererseits, weil Kunden-Lock-Ins anderen Cloud-Providern keine Chance lassen. Und obendrein, weil große Einzelprovider ihre Position ausnutzen könnten, um kleinere Konkurrenten auszustechen. All das hemmt die Entwicklung des EU-Softwaremarkts, wie ein Expertengutachten der gemeinnützigen Gesellschaft aus dem April 2023 festhält.
Open Services Cloud macht Daten und Dienste interoperabel und portabel
Welche Lösung die Open-Source-Gemeinschaft vorschlägt: Die Open Services Cloud, kurz OSC. Hinter der Idee verbirgt sich ein offenes Framework, das Dienste und Daten portabel und somit Clouds interoperabel machen soll. Wie das technologisch funktioniert: Zum einen über eine neutrale Semantik, die Services, Ressourcen und Workloads standardisiert beschreibt. Zum anderen über eine Plattform, über die sich Clouds orchestrieren, managen und betreiben lassen – und das im Self-Service über multiple Landschaften hinweg.
Was notwendig ist, damit das gelingen kann: Ähnlich wie seinerzeit beim Mobilfunk soll die EU in den Markt eingreifen. Laut Eclipse Foundation bietet der EU Data Act dafür jetzt die Chance. Konkret geht es beispielsweise um Programmierschnittstellen, über die Cloud-Provider es der Kundschaft ermöglichen sollen, ihre Daten und Dienste zwischen unterschiedlichen Anbietern zu bewegen – immer so, wie es das Geschäft verlangt. Zahlen der Eclipse Foundation zeigen, was auf dem Spiel steht: Bleibt alles, wie es ist, dann geht der Anteil hiesiger Softwareanbieter am EU-Markt im Zeitraum von 2020 bis 2030 von 27 auf 16 Prozent zurück – während US-Provider ihn von 65 auf 78 Prozent ausbauen.
Mehr Marktchancen für alle Anbieter
Lassen sich Daten und Dienste in der Cloud so einfach portieren wie Mobilnummern, dann setzt das nach Meinung der Open-Source-Foundation auch Potenziale für Platzhirsche frei: „These enhanced capabilities would translate into moving from a situation where they compete with their ecosystem to a situation of new selling opportunities: cross composable service offerings with broader baselines of infrastructure, broader scope of internal and partner services, etc.” Darüber hinaus ließen sich Cloud-Landschaften viel einfacher auf den spezifischen Bedarf von Branchen zuschneiden – egal ob Produktions-, Finanz- oder Gesundheitswirtschaft. Nicht anders in Forschung und Wissenschaft: “On research segments, this would greatly increase innovation and collaboration between research centers and universities due to OSC drastically simplifying cloud consumption, leading to an accelerated pace of innovation and growth of these services”, hält die Marktanalyse fest. Zudem lassen sich bestehende Initiativen wie Gaia-X oder Manufacturing-X und die ersten Umsetzungen wie beispielsweise das Leuchtturmprojekt Catena-X mit den Zielen der OSC vereinen – ein Vorteil, der Europas Datenökonomie weiter antreibt.
Weniger Abhängigkeit, mehr Geschäft – und günstigere Konditionen: Laut Eclipse Foundation kann die OSC die Preise für Cloud-Dienste in der EU im Zeitraum von 2025 bis 2030 um bis zu 13 Prozent senken. Nichts anderes zeigt sich beim Blick auf den Mobilfunksektor: Wer heute seine Nummer portieren lassen möchte, zahlt dafür in vielen EU-Ländern gar keine Gebühren mehr.